Frau M.

Frau M. ist selbständige Apothekerin, verheiratet mit einem leitenden Angestellten eines mittelständischen Unternehmens, also eine durchaus “arrivierte” Familie. Mehrere Jahre nach einem Geschwisterpärchen kommt noch Nachzügler Tochter Ramona zur Welt. Der Vater ist beruflich voll engagiert, die Mutter fühlt sich in ihren Karriereplänen nur kurzfristig gestört. Sie steht auf dem Standpunkt, die Tochter sei schlichtweg faul und solle vernünftigerweise nach der 10. Klasse Gymnasium irgendeine Ausbildung machen. Ramona, die wegen einer konstanten 4 in Englisch zu mir kommt, hat aber das Abitur im Visier.

 

Frau M. steht auf dem Standpunkt, ihr habe früher auch niemand geholfen, sie hätte sich ganz allein durchwursteln müssen. Ihre Eltern hätten sie gezwungen, nach der Mittleren Reife die Schule zu verlassen. Sie habe dann aus eigenem Antrieb und mit eigenen Mitteln das Abitur nachgemacht und Pharmazie studiert. Ramona sei nur faul, und es sei nicht ihre Aufgabe, in puncto Schule tätig zu werden, dazu seien die Lehrer da.

 

Beim Thematisieren des Mutter-Tochter-Verhältnisses kommen erschreckende Verhältnisse zu Tage. Ganz offensichtlich wartete Ramona ständig auf Signale der Zuwendung oder Bestätigung von Seiten ihrer Mutter. Frau M. äußerte nur: Wenn mein Mann sie schon mal ab und zu lobt, dann muss ich das ja nicht auch noch! Auf den Hinweis, dass ihre Tochter dringend liebevolle Zuwendung von ihrer Mutter bräuchte, meinte sie sehr zögerlich: Na ja, ich kann’s ja mal versuchen!

 

Ramona ist nur ein halbes Jahr bei mir und verbessert sich in dieser Zeit von 4 auf 2 minus. Die Steigerung des Selbstbewusstseins, die eine der wesentlichsten Vorraussetzungen meiner Therapie zur Verbesserung der Schulleistungen ist, bleibt natürlich nicht auf Englisch beschränkt, sondern hat ihre Auswirkungen auf das ganze Leben. Und das ist vermutlich auch der Grund, weshalb die Mutter mit der fadenscheinigen Erklärung, eine 2 in Englisch sei ja gut genug, meine Einflussnahme auf Ramona beendet!

 

Merke: Wenn Zuwendung an das eigene Kind eine ungeliebte Pflichtübung ist, dann sollte sich das betroffene Elternteil schon einmal fragen, wo die Defizite im eignen Leben liegen! Jeder Spatz im Nest und jede Hasenmutter im Wald reibt sich für den Nachwuchs auf.... Hier wäre eine Therapie für die Mutter angebracht.

 

 

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